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Sozio-kulturelle Rahmenbedingungen
Die neue stattliche Identität Georgiens - ein demokratischer Rechtsstaat im Aufbau, der sich am westeuropäischen Modell orientiert - ist gekennzeichnet durch weiterhin aus der Sowjetära fortwirkende sowie ältere traditionelle Denk- und Verhaltensmuster. Eine starke traditionelle und nationale Strömung in der georgischen Kultur hält in einer eher retrospektiven Besinnung an den georgischen kulturellen und wissenschaftlichen Leitungen der Sowjetzeit fest, obgleich die wissenschaftlichen und künstlerischen Beziehungen zu Russland weitgehend abgerissen sind.
Durch die jahrhundertelange Fremdherrschaft sind die Georgier darin erfahren, sich dem Staat durch Rückzug ins Private zu entziehen. Die einzig verbindlichen gesellschaftlichen Bezüge sind die zur Familie, dem Clan, den Freund- und Seilschaften. Dem entspricht ein widersprüchliches Verhältnis zum Staat, von dem einerseits die Lösung aller Probleme erwartet wird, dem man andererseits aber Unfähigkeit, Korruption und fehlendes Interesse an der Bevölkerung unterstellt. Der Mangel an sozialem Bewusstsein über die Familie hinaus und die schwierige ökonomische Lage erschweren den Aufbau eines funktionierenden Gemeinwesens, an dem sich jeder Einzelne beteiligen müsste.
Dieser Rückzug ins Private zeigt sich auch im Festhalten am "Bildungsbürgertum", das die Bildung und Kultur des Einzelnen pflegt. Zeitgeschichtlich relevante Diskurse werden jedoch weder zur Kenntnis genommen noch kontextbezogen mit Blick auf die heutige Gesellschaft rezipiert. So bleibt wertvolles Bildungsgut in einem abstrakten Bezugsrahmen "hängen", anstatt die Grundlage zur Entwicklung einer "neuen Gesellschaft" zu bilden, in der das Gemeinwohl einen höheren Stellenwert erfährt. Die Orientierung an diesem elitär-akademisch geprägten Ideal im Bildungswesen führt darüber hinaus auch zu einer - vom Sowjetsystem noch geförderten - Vernachlässigung der Vermittlung praktischer Fertigkeiten und Kenntnisse.
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